Plädoyer für die Einrichtung eines Männerministeriums (MäMi)

20. August 2005

(english version at the end of german text)

Ministerien werden eingerichtet, zusammengelegt, abgeschafft. Ein Ministerium wird dann eingerichtet, wenn sich Probleme auf einem bestimmten Gebiet verdichten, einzelne oder gesellschaftliche Gruppen oder die Regierung dies bemerken und darauf mit einem eigenen Ressort reagieren.
Auf diese Weise ist das Ministerium für gesamtdeutsche Fragen entstanden und wieder abgeschafft worden, das Familienministerium hat je nach Legislaturperiode in seinen Namen noch die Jugend, die Frauen, die Senioren und die Gesundheit oder den Sport aufgenommen. Das Umweltministerium ist mit den Grünen geschaffen worden, das Verbraucherministerium mit der BSE-Krise und Aufbau-Ost schreit nach einem eigenen Ressort usw.
Die Frage wäre also, ob Männer als Männer eine Problemgruppe sind und daher ein eigenes Ministerium brauchen und wie sich deren Probleme ? oder die, die sie anderen machen – von Frauen, deren Belange in einem Ministerium behandelt werden, unterscheiden. Muss für Männer etwas getan werden und wenn, was?

Dass Frauen im Familienministerium untergebracht wurden, vertiefte geradezu die Geschlechterstereotypen. Es schien so „natürlich“, der „wahren fraulichen Bestimmung“ adäquat und ist doch nur Ausdruck dafür, dass die Gehirnwäsche der Kirchen funktioniert hat. Meiner Meinung nach wären Frauen fast überall besser aufgehoben als ausgerechnet im Familienministerium. Wäre die Lust an Gedankenspielen weiter verbreitet, könnten wir gute Begründungen dafür finden, Frauen im Staatsministerium für Kultur unterzubringen, weil statistisch gesehen es Frauen sind, die am meisten lesen, die Konzerte, Theater, Museen und Galerien besuchen, die Kinos bevölkern, usw. Man könnte also sehr gut begründen, dass beispielsweise Frauen und Kultur enger zusammenhängen als Frauen und Gesundheit, wo sie auch schon einmal waren. Frauen wären auch als Teil des Aussenministeriums denkbar, weil der Kern der Frauenfrage international ist. Das soll hier jedoch nicht weiter vertieft werden.
An ein Frauenministerium jedenfalls haben wir uns gewöhnt. Bei Männerministerium aber wird gelacht. Denn anders als bei Wirtschafts- Arbeits- oder Verteidigungsministerium hat das Wort Frauenministerium im Bewusstsein der Regierenden wie auch der Regierten dazu geführt, dass „Frauen“ auf Regierungsebene als etwas Defizitäres erlebt werden. Es wird gelacht, weil sich die Kategorie „Männer“ nicht so erlebt. Frauen brauchen Hilfe, wie auch Jugendliche und Senioren, sie brauchen den besonderen Schutz der Gesellschaft und darum stopft man diese Gruppe in ein eigenes Ministerium. Aber wer ist dann diese Gesellschaft, wenn mehr als 80% ihrer Mitglieder – Frauen, Alte und Jugendliche – vom Rest besonders geschützt werden muss? Wer bleibt noch übrig als Gesellschaft? Unausgesprochen aber logisch bleiben dann wie bei den Taliban Männer übrig, die nicht zu jung und nicht zu alt und nicht krank sind. Die „Gesellschaft“ besteht nach dieser Definition aus 20% Männern zwischen Volljährigkeit und Rentenbeginn. (Und wenn man die Männer aus dem Aufbau ? Ost auch noch abzieht, sind es noch weniger).
Ein Männerministerium würde Männer selber zum Objekt des Nachdenkens machen. Es würde „von Staats wegen“ zu untersuchen sein, warum es in erster Linie Männer sind, die sich durch die Welt bomben, Mädchenhandel treiben, Frauen zum Heiraten zwingen, sich aber ungerne um die Kinder kümmern, fundamentalistische Theorien ausbrüten, immerhin zu ca. 20.000 allein in Deutschland in Logen organisiert sind usw. usw.

Heutzutage werden z.B. die Kosten der Polizeiaufgebote bei Fussballspielen nicht ins Verhältnis gesetzt zu den eigens ausgewiesenen Fördermassnahmen für Kinder. Dabei sind diese Kosten eindeutig Männerförderungen und nicht gesellschaftliche Selbstverständlichkeiten. Hat schon mal jemand ausgerechnet, wer sich NICHT für die WM interessiert und für die Trennung von Staat und Fussball eintritt ebenso wie für die Trennung von Staat und Kirche, die auch nur auf dem Papier steht?
(Vermutete Kosten für die Sicherheitsmassnahmen bei der WM 500 Mill. Euro bei Gesamtkosten von ca. 9 Milliarden.). Wären diese Kosten im Haushalt ausgewiesen, dann liessen sie sich gegenrechnen mit anderen Massnahmen und es müssten Kompromisse zwischen den einzelnen Notwendigkeiten geschlossen werden: In diesem Jahr eine Fussball-WM, im nächsten soundsoviel neue Kindergärten/ Ganztags-Schulen/ Forschungsstätten.
In der Aussenpolitik wäre es die selbstverständliche Aufgabe eines Männerministeriums, darauf hin zu wirken, dass patriarchale und das heisst frauenunterdrückerische Verhaltensweisen abgeschafft werden.
Es wäre innenpolitisch zu untersuchen, ob Frauenfeindlichkeit und Ausländerfeindlichkeit evtl. ähnliche Wurzeln haben und ob die Kritik an der Frauenfeindlichkeit in der Öffentlichkeit einen ebenso grossen Raum einnimmt wie die Kritik an der Ausländerfeindlichkeit..
Kurz, ein Männerministerium würde den Mann zum politischen Thema machen und die blassen und äusserst akademischen Gendertheorien vom Kopf auf die Füsse stellen. Es gäbe der Politik die vermissten und immer wieder eingeforderten Impulse oder den „Ruck“.

Die Menschheit ist nun ca. 3 Millionen Jahre alt und ca. 3000 Jahre herrscht das Patriarchat und hat inzwischen selbst ziemliche Probleme mit den Folgen dieser Herrschaft, die auch Männern nicht mehr gut tun. Diese Probleme werden durch ein Männerministerium nicht abgeschafft, aber vielleicht werden einige Zusammenhänge durch die Arbeit einer solchen Institution erkannt. Überwachungskameras, mehr Polizei, mehr Soldaten, mehr Panzer, alles das wird die heutigen Welt-Probleme nicht lösen. Es wäre an der Zeit, dass die 20%, die sich selbst als Gesellschaft definieren und von den anderen bisher auch noch so genannt werden, weil sie es fast nicht anders kennen, das Nachdenken auf sich selber richten.
Natürlich sollen die Staatsausgaben dadurch nicht höher werden. Es wäre daher gut und richtig, das Männerministerium wie auch das Frauenministerium mit anderen Aufgaben zu koppeln. Mein Vorschlag wäre die Koppelung des Frauen-mit dem Arbeitsministerium und die des Männerministeriums mit dem Ministerium für Verkehr, also die Schaffung eines „Ministeriums für Männer und Verkehr“. Das könnte dann sogar der Realität ins Auge sehen, wozu offenbar das Familienministerium nicht in der Lage ist, und Lösungen für das Problem finden, dass Frauen und Männer, ob verheiratet oder nicht, sexuell vielfältig interessiert sind, Kinder aber Stabilität brauchen.
Eine Kernfrage.

Helke Sander
August 2005

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Plea for the Establishment of a Ministry for Men in the New German Administration

Government ministry departments are constantly established, collapsed, abolished. A new ministry department is created when problems in a certain field increase, and when individuals, groups or the government realise this and subsequently act by establishing a new Ministry.
In West Germany, the Ministry for all-German affairs was created and later abolished again in this manner during the cold war, and the German Family Ministry, changing with every administration, was also assigned the Departments of Youth, Women, Health or Sports. The Environmental Ministry was created by pressure of the Green Party, the Consumer Protection Ministry was created after the mad cow disease crisis (BSE), and the Office for the Recovery of East Germany is calling for its own Ministry as we speak.

The question therefore is whether men – as men – constitute a specific problem field and need their own Ministry to adress issues concerning men (or problems caused by men), and if so, how these problems differ from the specific problems that a Women’s Ministry adresses. After all, a Ministry for Women, adressing women’s issues, has already been established. Are there problems that need to be solved for men, and if so, what are they?

Housing the Women’s department in the Family ministry has merely entrenched the gender stereotypes. It seemed just „natural“, and „true to the female destiny“, yet was merely a symptom of the fact that society’s brain washing by the churches over the centuries has worked remarkably well. In my opinion, the Women’s Department would be better placed in almost any other Ministry than the Family Ministry. Using some lively imagination, we could easily come up with good reasons why the Women’s Department should be assigned to the Ministry of Culture, since statistically women read more, visit more concerts, theatres, museums, galleries and cinemas, than men. It certainly would be better off there than with the Health Ministry, through which it passed as well. The Women Department could also be considered a part of the Foreign Ministry, since the core of the women?s question is of international concern. We should not get too deep into this here though.
In any case, we have become used to a Women’s Issues Ministry. The idea of a Men’s Ministry is laughed at, however. Quite opposite to the Departments of Economics, Labor or Defense, the introduction of a Women’s Ministry Department has created a situation in which „women“ on the governmental level, both in the minds of politicians and the public, are considered generally deficient. The idea is laughed at because the category „men“ is not regarded in this way. Women need help, like youth or seniors, they need society’s special protection, and that is why this group has been tucked into its own Ministry Department.
But who makes up this this society, if 80% of its members – women, elderly and youngsters – need special protection from the rest? Who remains as the society here? Implicitly, but logically, just as with the Taliban, only those remain as normal members of society who are not too young, too old, or sick. According to this definition, our „society“ consists of the 20% of men between voting age and retirement (and if we subtract East German men represented by the Department for the Recovery of East Germany, the number is even lower).

A Ministry for Men would make men themselves the object of analysis. It would become „the government’s responsibility“ to explain why it is mostly men that throw bombs, trade slave girls, force women to marry yet refuse to take care of the children, invent fundamentalist theories, or organize themselves in secret lodges (20,000 in Germany alone, it is estimated), et c.

Today, costs for police security during football matches are not put in relation to the governmental support funds for children. The security funding for football matches, however, is undoubtedly support funding for men, and not a self-evident government responsibility. Has anyone ever done the math on who is NOT interested in the World Football Cup, and who is as much for the segregation of state and football as they are for the segregation of state and church? (The latter is also something that exists only on paper).
The estimated costs of security during the World Football Cup 2006 will be 500 million euro, the entire World Cup will cost circa 9 billion euro. If these costs were listed separately in the budget, they could be compared to other items, and political compromises would have to be made over the necessary government support: This year we’ll fund a World Football Cup, the next a certain number of new kindergardens, all-day schools, research facilities.
In foreign policy, it would be the inevitable task of a Ministry for Men to pursue the abolition of patriarchal behaviour, which includes the abolition of oppressive behaviour towards women.
In interior affairs, it would have to analyse the question whether sexism and xenophobia possibly have common causes, and whether xenophobia and sexism receive the same public attention.
Finally, a Ministry for Men would turn man into a political issue and would turn weak and overly academic gender theories from their head to their feet. It would give politics the much missed and called-for impulses, or „push.“

Humankind is now about 3 million years old, of which it was reigned for circa 3,000 years by patriarchism. It has become difficult to handle the effects of this reign, effects, which are no longer good for men either. These problems will not be solved by a Ministry for Men, but maybe it is possible to realise some of their mechanisms by the establishment of such an institution.
Surveillance cameras, more police, more soldiers, more tanks, all this will not solve the current world problems. It is time to wake up those 20% of society which see themselves as the sole representatives of said society, and who are called as such by the others due to their lack of awareness, and direct their thinking unto themselves.
The state budget of course should not increase. It would be right and good to couple both the Ministry for Men and the Ministry for Women with other departments. I would suggest the coupling of the Labor Ministry with the Women’s Ministry, and the Men’s Ministry with the Traffic Ministry, to have a „Minister for Traffic and Men.“ It could face reality – which the current Family Ministry obviously can’t – and find solutions for the problem that women and men, whether married or not, have manifold sexual interests, yet need to provide a stable environment for children – a core question.

Helke Sander
August 2005