Kindergrundsicherung und Weltpolitik 

Auf den ersten Blick scheint das Konzept der Familienministerin Lisa Paus fortschrittlich zu sein. Es soll alle Kinder in Deutschland vor Armut schützen, die Zuwendungen vergrößern, die Verfahren vereinfachen und vor allem die unter dem Namen CARE verstandenen Leistungen neu definieren. Im Lauf der Jahrzehnte gab es vielfache Verbesserungen und Verbesserungsvorschläge, denen aber eins gemeinsam war: Das Steuersystem blieb mit Korrekturen grundsätzlich wie es war. Inzwischen ist schon klar, dass der große Wurf der Familienministerin gescheitert ist. Einerseits hat das mit der Schuldenbremse zu tun, andererseits mit neuer Bürokratie und Fortführung alter Denkweisen. 

Das möchte ich im Folgenden näher erläutern und dabei einen Gedanken aufgreifen, der vor über fünfzig Jahren im Rahmen der neuen Frauenbewegung angedacht, aber nicht aufgegriffen und weiterentwickelt wurde. 

Es ging um das Konzept von der damals so genannten „gesellschaftlichen Versorgung der Kinder“. 

1.
Ein Rückblick auf das Jahr 1974 

Die Frauengruppe BROT UND ROSEN stellte die Forderung nach gesellschaftlicher Versorgung der Kinder zum ersten und einzigen Mal in der zweiten Auflage des Buches „Frauenhandbuch Nr.1 über Abtreibung und Verhütung“ (Selbstverlag) sehr pauschal vor, ohne dies im Einzelnen zu begründen, weil es hauptsächlich um andere Themen ging. Wir nahmen damals an, dass sich bald sehr viele akademisch geschulte Leute aus verschiedenen Disziplinen finden würden, diese Forderung wissenschaftlich zu untermauern und zu konkretisieren. Dabei hatten wir uns geirrt. Diejenigen, die diesen Gedanken entwickelten, waren 6 Künstlerinnen, 2 Ärztinnen, 1 Psychologin, 1 Kneipenwirtin und 2 Studentinnen, 

alle keine wissenschaftlich ausgebildeten Spezialistinnen, sondern 12 Frauen, die als Feministinnen und durch eigene Erfahrungen seit 1968 über Kinder und Familienpolitik in unserer Gesellschaft nachdachten, um herauszufinden, wie die Kinderarmut und weitgehend auch die der Mütter beendet werden könne. 

Was war mit dieser Forderung gemeint? Wir gingen von der Voraussetzung aus, dass Kinder für das Überleben der ganzen Gesellschaft notwendig seien. Auch Kinderlose hätten keine Zukunft ohne Frauen, die Kinder kriegen. Steuerlich behandelt aber werden Eltern wie eine kostenfressende Sondergruppe. Die potentielle Macht von Frauen, sich für oder gegen Kinder entscheiden zu können, ist ihnen selber immer noch höchstens halbbewusst, der patriarchalen Politik dafür umso mehr. Man möge sich nur erinnern an das lange Zeit geltende Verbot sämtlicher Verhütungsmittel oder daran, dass selbst liberalisierte Abtreibungsgesetze immer wieder von den Regierungen vieler Länder aufgehoben oder verschärft werden, wie z.B. gegenwärtig in den USA, in Ungarn oder im Wahlprogramm der AFD. Das Letztere scheint mir am wenigsten in der Jetztzeit angekommen zu sein. Meine Kenntnis habe ich aus ihrem Programm zur Familienpolitik und einer Talkshow im Frühjahr 2024 bei Markus Lanz mit Timo Chrupalla als Parteivorsitzenden und MdB dieser Partei. Das Konzept, dass er vorstellte, sieht eine herkömmliche heterosexuelle Familie vor, in der jede Frau möglichst drei Kinder gebären soll bei großzügiger Unterstützung des Staates. Das würde bedeuten, dass die immer wieder neu hergeholten Versuche, den § 218 zu verschärfen, vermutlich sofort umgesetzt würden, sollte die Partei an die Regierung kommen. 

Vollkommen ungeklärt bleibt selbst bei dieser kurzen Definition, woher das Unterstützungsgeld kommen soll, weil ja diese Kinder den aktuellen Fachkräftemangel beheben sollen. Allerdings müssten man darauf von heute an ca. 25 Jahre warten, bis diese Kinder ausgebildet wären. Frauen, die heute schon nicht wissen, wie sie ihren Beruf mit nur einem Kind vereinbaren sollen, würde es noch schlechter gehen. Einem Ondit nach, dass ich noch nicht verifizieren konnte, soll es heute schon Zusammenschlüsse in Millionenhöhe von Frauen geben, die für sich beschlossen haben, keine Kinder mehr zu gebären angesichts neuer Kriege, Klimawandel, Männerbrutalität. Das sind harte Entscheidungen, denn offenbar würden die meisten dieser Frauen gerne Kinder haben. Alle brauchen Kinder. Sollten sich diese Pläne herumsprechen, wären massenhafte nicht angekündigte und anhaltende Streiks die unmittelbare Folge, wogegen sich die Eisenbahnerstreiks von Herrn Weselsky wie Peanuts ausnehmen würden. 

Ein massenhafter Gebärstreik würde sehr schnell die ganze Gesellschaft nicht nur vollkommen verändern, sondern zusammenbrechen lassen. Unter welchen Umständen die Frauen Geburten verweigern, erklärten sie ausführlich in den vielen 218-Kampagnen der siebziger Jahre in der westlichen Welt und sie wiederholen dies seither ständig weltweit. Frauen hatten in den 70ger Jahres des letzten Jahrhunderts noch nicht die gleichen Bürgerrechte wie der Mann, der noch allein über die Berufsausübung der Frauen, Erziehung der Kinder, Finanzen der Familie u.a.m. bestimmen konnte und die Mütter gewissermaßen zu Blockwarten ihrer Kinder machen konnte oder, wie wir in einem der ersten Flugblätter 1968 schrieben, zu „Mittelstandsnegern“. Damit war gemeint, dass Frauen durch Anpassung an nicht von ihnen bestimmte neue Gesetze ein zwar oft erträglicheres aber kein selbstbestimmtes Leben haben konnten. 

Der Titel unserer Forderung „Für die gesellschaftliche Versorgung der Kinder“ sollte deutlich machen, dass diese Versorgung eine Aufgabe der ganzen Gesellschaft sei und nicht nur eine der Eltern. Es ging darum, die Lage der Kinder zu verbessern und als Konsequenz daraus auch die Lage der Frauen. Damals fingen die Frauen erst an, vorhandene Gesellschaftstheorien daraufhin zu überprüfen, ob sie die Stellung der Frauen überhaupt in irgendeiner Form zur Kenntnis nahmen oder weiterhin an Familienstrukturen festhielten, die keineswegs die natürlichen unveränderbaren Keimzellen der Gesellschaft bildeten, wie immer behauptet wird, sondern gemessen an der Menschheitsgeschichte relativ junge Einrichtungen sind, die langsam mit dem sich herausbildenden Patriarchat im Neolithikum entstanden und die Frauen zunehmend rechtloser machten. Seitdem waren die Menschenfrauen als einzige Art unter den Säugetieren den Männern unterlegen. Jede Elefantenkuh, Löwin oder Bonobofrau würde nur darüber den Kopf schütteln, was wir uns haben bieten lassen und was trotz Gleichberechtigung immer noch unser Zusammenleben weitgehend bestimmt. *) 

Die grundlegende Idee von uns war, die diversen staatlichen Förderungen für Kinder nicht mehr an die einzelnen Eltern zu zahlen, sondern direkt den Kindern zukommen zu lassen und jedem Kind ab Geburt kostenlose Krippen, Kindergärten, Ganztagsschulen, Mittagessen, ärztliche Versorgung, Mitgliedschaft in Vereinen, kostenlose Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel u.a.m. ohne Bürokratie zu garantieren. Ein Eintrag beim Standesamt würde genügen, um alles in Gang zu setzen. Das würde weiter bedeuten, Eltern und Kinderlose steuerlich gleich zu behandeln. Die ganze Gesellschaft, vertreten durch den Staat, würde für alle Kinder ausreichend aufkommen, im Sinne des alten Sprichworts: ein ganzes Dorf ist nötig, um ein Kind aufzuziehen. Die Eltern, bzw. Mütter oder Väter müssten nicht mehr komplizierte Nachweise für einzelne Unterstützungen beantragen, sie könnten sich ohne zusätzliche finanzielle Probleme um die Kinder kümmern – und nebenbei das für Kinder bestimmte Geld nicht für andere Dinge ausgeben. Vor Allem würde sich die Lage der Mütter entscheidend verbessern, weil das Kind auch bei Trennung vom jeweiligen Partner grundversorgt wäre, die Auseinandersetzungen um Unterhaltszahlungen wegfielen und neue Formen des Zusammenlebens besser entwickelt werden könnten. Die Voraussetzung für die Realisierung dieser Idee 

wäre eine vollständige Umgestaltung des bisherigen Steuersystems. Vollständig meint hier vollständig und keine hier und da stattfindenden Erleichterungen. Niemand von uns kannte sich in Steuerfragen mit allen Wirkungen und Nebenwirkungen aus. Dennoch sahen wir uns in guter Gesellschaft, denn Marx und Engels entwickelten ebenfalls vorher unbekannte Konzepte. 

Unsere Arbeitsgruppe damals hoffte darauf, fachlich kompetente Menschen zu gewinnen, die in der Lage wären, unsere Forderung zu verstehen und wissenschaftlich zu begleiten. Die selbständigen Mutter- Kind-Einheiten aus Vorzeiten gab es nicht mehr, Inzwischen weitgehend durchgesetzte Liebesheiraten garantieren auf Dauer weder bei Frauen noch Männern Kontinuität für die Kinder. Und, wie die Ignorierung unserer Forderung bewies, waren Frauen noch nicht fähig, ihr eigenes Nachdenken über die Formen des Zusammenlebens gesellschaftlich durchzusetzen. Frauen hatten in den letzten Jahrtausenden derartig umfassend ihre Macht verloren, dass sie nicht einmal mehr auf den Gedanken kamen, dass sie es waren, die über die Möglichkeiten verfügten, Kinder zu bekommen oder keine Kinder zu bekommen und die Gesellschaft insgesamt am Leben zu erhalten oder auch nicht. 

Darum sind die Kämpfe in allen Ländern um den Abtreibungsparagrafen so erbittert, weil seine Beibehaltung entscheidend dazu beiträgt, Männermacht zu erhalten. 

Man muss sich vergegenwärtigen, dass die Frauenbewegung jener Zeit aus sehr heterogen zusammengesetzten Gruppen und Personen mit äußert unterschiedlichen Arbeitsschwerpunkten bestand. Feministische Frauengruppen mit unterschiedlichen Interessen, bedingt durch Alter, Arbeit, Studium, Familienverhältnissen, gab es in der damaligen BRD seit Januar 1968. Sie bildeten anfänglich das Rückgrat für die von Alice Schwarzer ins Leben gerufene 218- Kampagne. Sie vereinte alle vorher an unterschiedlichsten Problemen arbeitenden Frauen zu einem gemeinsamen Ziel, der Abschaffung des § 218. Alle wollten wir diese Kampagne zum Erfolg führen, was auch bedeutete, sich mit Themen zu befassen, die durch den § 218 neu angerissen und zum Teil sehr widersprüchlich diskutiert wurden. (Siehe hierzu die vielen neuen Themenschwerpunkte zur Medizin, Sexualität, Staatsbürgerinnenrechte, Gewalt gegen Frauen, Folgen der patriarchal konzipierten Familienpolitik, Vorarbeiten für eine feministische Partei von Hannelore Mabry, in deren Mittelpunkt die Kinderfrage stand u.a.m.). Die veröffentlichte Wahrnehmung der neuen Frauenbewegung krankte von Beginn an der ungeheuren Vereinfachung ihrer Anliegen durch die Leitmedien, was bis heute ein Problem ist. Die großen Medien griffen begierig damals eher randständige Themen auf wie behauptete Männerfeindlichkeit – ohne sie ging es eben nicht – und nahmen kaum zur Kenntnis, was die neue Frauenbewegung an radikalen gesellschaftlichen Konzepten entwickelte. 

Um es zu wiederholen: Damals fingen die Frauen erst an, vorhandene Gesellschaftstheorien daraufhin zu überprüfen, ob sie die Stellung der Frauen überhaupt in irgendeiner Form zur Kenntnis nahmen oder weiterhin an Familienstrukturen festhielten, die keineswegs die natürlichen unveränderbaren Keimzellen der Gesellschaft bildeten, sondern gemessen an der Menschheitsgeschichte relativ junge Einrichtungen sind, die langsam mit dem sich herausbildenden Patriarchat und neuen Produktionsweisen im Neolithikum entstanden. **)Diese Arbeit brachte uns zu immer weiteren Erkenntnissen über die Stellung von Frauen und Kindern. Die geltenden sogenannten christlichen, jüdischen, buddhistischen, islamischen u.a. Familienmodelle beruhen vielfach noch immer darauf, dass der Mann in der Familie das Bestimmungsrecht hatte und hat und schafft Widersprüche zwischen Religion und Grundgesetz, die häufig mit scheinbar einfacheren Erklärungen wie Ausländerfeindlichkeit beschrieben werden. 

Der alte Begriff Familie sah vor, dass beide Ehepartner zur gegenseitigen sexuellen Treue verpflichtet sind. In der Praxis gilt es für den Mann kaum. Wie schon gesagt, hatten wir keine Ahnung von der Bedeutung des herrschenden Steuersystems, das im Lauf der Jahre zwar verschiedene Erleichterungen für Eltern schaffte, aber grundsätzlich sich nicht mit der Tatsache befasste, dass ALLE Erdenbürger auf Kinder angewiesen sind. Damals konnten wir Kritikerinnen am System höchstens auf die Ungerechtigkeit des Ehegattensplittings verweisen. Heute müsste das Konzept der „bedingungsslosen Grundsicherung“ für Erwachsene abgewogen werden mit der gesellschaftlichen Versorgung der Kinder. Wir wissen heute, dass Konzerne Kinder zu Verbrauchern herabwürdigen und sie als Absatzmärkte für Süßigkeiten missbrauchen, was wiederum bedeutet, dass erschreckend viele Kinder an Diabetes leiden, deren medizinische Behandlung wiederum Milliarden Kosten verursachen. Die Milliarden, die es kostet, Bürokraten die Anträge auf Zuwendungen von ein paar Euro entscheiden zu lassen, sollten mal für die Öffentlichkeit berechnet werden. 

Wichtig wäre, das gängige Familienbild zu überprüfen und mit der Realität zu vergleichen. Schätzungen besagen, dass in der BRD täglichca. 1 Million Männer eine Prostituierte aufsuchen. Im Monat wären das ca. 30 Millionen.***) 

Die Kernfamilie, die in allen Parteien als schützenswert gilt, und als Einheit „Vater, Mutter, Kinder“, beschworen wird, müsste realistisch heißen: „Vater, Mutter, Prostituierte, Kinder“. 

Diese Wahrheit immer wieder sowohl in der Politik wie auch in den meisten Untersuchungen zur Stellung der Familie zu ignorieren, hat größte gesellschaftliche Folgen. (Dabei gibt es immer wieder auch Paare, die sich ein Leben lang respektieren und lieben. Aber das ist nicht die Regel.) 

Die Frauenbewegung hat nicht nur erreicht, dass sie in den 70ger Jahren des letzten Jahrhunderts noch ausstehende Bürgerrechte bekam. Sie hat u.a. auch herausgefunden und verbreitet, dass Frauen über ein eigenes sexuelles Begehren verfügen, was sich wie bei Männern auch, verändern kann (und zu fortschrittlicheren Gesetzen führte). Und sie hat, anders als es Generationen von Frauen vorher möglich war, diese Erkenntnis in die Praxis umgesetzt. Die frei bestimmte Sexualität von Frauen wurde zum Thema. Was Frauen fühlen und empfinden und wie sich die Praxis dieser Empfindungen ändern kann, spielte seit Jahrtausenden, genauer seit Einführung monotheistischer – immer männlich bestimmter – Religionen und neuer Arbeitsweisen, keine Rolle mehr. Abweichungen wurden bestraft. Aber Abweichungen von dieser Regel wurden immer häufiger. Die lange Zeit geltenden Familiengesetze, die verboten, Ehe und Familie anzugreifen, was auch in den Richtlinien von ARD und ZDF ausgeführt wurde und mit dafür verantwortlich war, dass die neuen Filmemacherinnen es schwer hatten, ihre Themen durchzusetzen, weil genau diese verbotenen Themen in ihren Vorhaben eine große Rolle spielten. Kinder brauchen Stabilität. Diese Stabilität aber wurde immer weniger garantiert, auch durch die zunehmende Mobilität in der Arbeitswelt. Die alten Regeln beruhten auf der Rechtlosigkeit der Frauen. Für sie galt u.a. die lebenslange Treue zum Ehemann. In den Binnenverhältnissen wurden Abweichungen meist beschwiegen oder praktisch durch Lügen oder Strafen gelöst. In der Frauenbewegung kamen diese Konflikte zur Sprache, mit zum Teil auch abstrusen und vereinfachenden Vorstellungen, wie diese Probleme zu lösen seien. Wo war nun der sichere Platz für Kinder in einer Welt, in der die Eltern nicht mehr einen grundgesetzlich geschützten stabilen Rahmen bildeten? Gab es in der Welt andere Konzepte, um Männern, Frauen und Kindern ein sicheres Umfeld zu bieten? Immerhin wurde allmählich bekannt, dass es in einzelnen abgelegenen Gesellschaften noch Rudimente alter strukturierter Familienformen gab, in denen der Mutterbruder für die Kinder der Schwester verantwortlich war, was die Sexualität der Frauen nicht an den Vater der Kinder band, wobei die Rolle der Väter für die Befruchtung in der längsten Zeit der Menschwerdung sowieso nicht bekannt war und erst mit dem Neolithikum allmählich bekannt wurde. Sexualität spielte bei der werdenden Menschheit sowieso noch lange Zeit keine bewusste Rolle. Sie war vergleichbar mit Essen, Trinken, scheißen. Die auch heute noch häufig behauptete Urform der Familie bestehend aus Vater. Mutter, Kinder gab es die längste Zeit der Menschwerdung nicht. Die Frauenbewegung befreite die einzelne Frau aus der totalen juristischen Abhängigkeit vom Mann, aber sie trug damit auch absichtslos dazu bei, die alten Familienformen zu zerstören, ohne schon etwas Besseres dagegen setzen zu können. Das ist mit einigen Erleichterungen auch der Stand noch heute. 

2.
Das internationale Jahr der Frau 1975 wurde von der UNO-Vollversammlung als Reaktion auf die Frauenbewegung für das Jahr 1975 ausgerufen. 

Zur Vorbereitung dieses Ereignisses in der BRD wurde ich von der damaligen Familienministerin Katharina Focke und Bundeskanzler Schmidt als einzige Vertreterin der neuen Frauenbewegung zu diesem Termin nach Bonn am 19.11.1974 eingeladen, der ansonsten aus Vertretern der sogenannten „wichtigen gesellschaftlichen Gruppen“ bestand, u.a. dem Erzfeind der Frauenbewegung in der Abtreibungsfrage, Bischof Tenhumberg und dem Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer. In meinem Beitrag wies ich darauf hin, dass sich die neue Frauenbewegung aus sehr vielen heterogenen Gruppen zusammensetzt und ich hier nur über die Gruppe BROT UND ROSEN sprechen könne, die sich mit der Kinderfrage in einer neuen Gesellschaft befasse und als Fazit eine wissenschaftliche Untersuchung über unser Anliegen, „der gesellschaftlichen Versorgung der Kinder“ forderte. Ich war es nicht gewöhnt bei offiziellen Veranstaltungen zu sprechen und etwas verschüchtert, aber zum Ausgleich hippyhaft auffällig gekleidet, mit vielen Ansteckern aus der Frauenbewegung, gegen den Vietnamkrieg und gegen Notstandsgesetze an der Weste, was dazu führte, dass die Leute rechts und links von mir mit ihren Stühlen abrückten. 

Zur feierlichen Eröffnung des „internationalen Jahrs der Frau“ am 9.1.1975 wurde ich nicht mehr eingeladen, auch nicht zur HALBZEIT am 17.7.1975 und ich hörte auch nichts über unsere Bitte, eine kompetente wissenschaftliche Kommission zur Untersuchung unserer Forderung einzurichten. 

3.
Unzulänglichkeiten bei der Vermittlung. 

Anfangs war ich noch davon überzeugt, dass unsere Forderung sofort wissenschaftliche Untersuchungsgruppen auslösen würde. Es ging ja um einen vollkommen neuen Denkansatz, der neue Prioritäten setzte. Uns war damals nicht klar, dass dieses Vorhaben viel zu unklar formuliert war und wir dieses Anliegen an viele, für derartige Unternehmungen vorgesehene Institutionen hätten weitergeben sollen. Wir hatten keine akademischen Erfahrungen auf diesem Gebiet und so landete vermutlich unser Papier auf dem Müll. Es reichte eben nicht, einem Regierungsmitglied zu sagen, sie sollten sich mit diesem Thema befassen und dann anzunehmen, jemand würde uns kontaktieren, um diesen Gedanken weiter zu untersuchen. 

4.
Femizide
Kinder-und Frauenfrage hängen zusammen. 

In der BRD werden jährlich zwischen 150 und 200 Frauen ermordet, meist von ihren Ehemännern, Ex- Ehemännern, Ex-Freunden. Weltweitsollen es jährlich zwischen 40.000 und 80.000 Frauen sein, die auf diese Weise um Leben kommen. Diese Femizide sind eine Folge davon, dass es vielen Männern aller Schichten und aller Gesellschaften schwerfällt, die Folgen der neuen Bürgerrechte für Frauen zu verkraften. Aber diese Bürgerrechte haben nicht einmal alle Frauen in allen Ländern, es gibt auch Länder, in denen sie die schon erlangten Rechte wieder verloren haben, wie z.B. in Afghanistan oder Iran. 

Diese Morde an Frauen übersteigen bei weitem die Zahl der von Rechtsradikalen oder Antisemiten begangenen Morde, die immerhin institutionell zu Recht bekämpft werden. Und wenn sie überhaupt erwähnt werden und einen Niederschlag in der Presse finden, dann war es bisher einzelnen Frauen und ein paar Institutionen zu verdanken, die normalerweise auf eigene Kosten oder mit wenigen Hilfsmitteln das Thema wachhielten. Die Morde an Frauen werden in die dafür erfundene Kategorie „häusliche Gewalt“ abgeschoben und scheinen dadurch irgendwie gerechtfertigt, geradezu ein Naturgesetz wie die Schwerkraft zu sein, etwas, was sich nicht ändern lässt. Auch wenn es die Ex- Ehemänner und Ex-Freunde, Brüder oder Väter nicht wissen: sie morden, weil sie die grundgesetzlich garantierten Rechte der Frauen nicht akzeptieren und offenbar noch im Unterbewusstsein eine Ahnung davon haben, dass es einmal Männer waren, die die Frauen um ihre Gebärfähigkeit beneideten und dies mit verschiedenen Ritualen auch für sich herbeiführen wollten – wenn auch vergeblich. Das ist aber noch nicht alles. Seit der Möglichkeit, das Geschlecht der Embryos schon im Mutterleib feststellen zu können, gibt es vor Allem in Indien und China und einigen kleineren Ländern den Trend, weibliche Föten abtreiben zu lassen. Das hat in diesen Ländern schon zu einem massiven Männerüberschuss geführt mit gravierenden Folgen. Es werden Mädchen in die Bordelle in aller Welt entführt, es werden Babys verkauft und gestohlen und 

die Vergewaltigungszahlen in diesen Ländern schnellen in die Höhe. Dennoch wächst die Weltbevölkerung rasend schnell, was wiederum damit zu tun hat, dass in vielen Ländern Frauen keine Bürgerrechte haben, kein Wissen über Verhütung und zum dauernden Kinderkriegen gezwungen werden. Außerdem gerät aus dem Blick, dass die Evolution aller Säugetiere, zu denen wir Menschen gehören, vor ca. 200 Millionen Jahren begann und wir das gemeinsame Merkmal haben, sich zweigeschlechtlich fortzupflanzen. Die Sexualität ist dabei variabel und nicht unbedingt an die Fortpflanzung gebunden. 

Es gibt sehr wenige Ausnahmen mit unklarer Geschlechtszugehörigkeit, Mutationen, denen Schutz und Hilfe gebührt. Im alten Griechenland wurden seltene medizinische Abweichungen als Hermaphroditen geehrt. Dagegen ist es ein Verbrechen, schon Kindern weiß zu machen, dass sie ihr Geschlecht mit Hilfe von schwersten Medikamenten und Operationen ändern könnten und dies gesetzlich zu verankern. 

Es dürfte klargeworden sein, dass mit den geltenden Steuergesetzen viele der genannten Ungerechtigkeiten nicht gelöst werden können.

5.
Religionen 

Die ersten „Gastarbeiter“ in den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts glaubten ebenso wie ihre Arbeitgeber, dass sie nach zwei, drei Jahren wieder in ihre Heimat zurückehren würden. Insofern gab es viele Provisorien und häufig unzumutbare Arbeits-und Wohnbedingungen. Sie kamen 15 Jahre nach dem Krieg in oft noch sehr zerstörte Städte und Landstriche, die um die 12 Millionen deutsche Flüchtlinge aus dem Osten aufgenommen hatten. Es kam dann anders und die Fremden blieben länger und viele für immer. Meiner Erinnerung nach gab es lange keine verbreitete Ausländerfeindlichkeit oder Furcht vor Ausländern, sondern für die Einheimischen eher neue Sitten und neue Eßgewohnheiten: Pizzen, Döner, Pasta, Asiatika. Italiener und Spanier waren katholisch, ein bisschen mehr als die katholischen Deutschen. Aber im Grunde waren sie integriert und beliebt. Türken und Kurden waren in den Anfangsjahren meist säkulär, aber auch paternalistisch. Es gab noch kaum Moscheen, die Frauen trugen höchstens die bäuerlich gebundenen Kopftücher und gründeten hier und da feministische Frauengruppen, die man heute in diesen Kreisen vergeblich sucht. 

Die später eingewanderten Araber brachten verstärkt ihre religiöse Erziehung mit: Antisemitismus, Überlegenheitsgefühle der Männer und anerzogene und selbstverständliche Frauenfeindlichkeit. Mit Erdogan nahm der Einfluss der türkischen Regierung auf die in Deutschland lebenden Türken und Kurden zu, die neu entstandenen islamistischen Gruppen brachten neue Gewalttaten in die Welt und seither kann man von konstanten Konflikten zwischen Einheimischen und Eingewanderten besonders aus den letztgenannten Gruppen sprechen. Meiner Einschätzung nach hat das aber weniger mit Rassismus oder Ausländerfeindlichkeit zu tun, sondern damit, dass die Widersprüche in der Wahrnehmung alltäglicher Handlungen zugenommen haben. Unser Grundgesetzt sagt: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“. Wollen türkische Frauen, von Kopf bis Fuß verhüllt, bei 30 Grad Hitze und beladen mit Einkaufstüten und Kinderwagen schiebend wirklich gerne hinter ihrem Mann herlaufen, der in kurzen Hosen und Hemdchen und möglichst noch ohne Gepäck auf die Witterung reagiert? 

Neuerdings ist zu beobachten, dass (junge) türkische Frauen sich sowohl modebewusster als auch traditioneller kleiden: Sie tragen lange Gewänder aus teurem Stoff mit farblich abgestimmten Kopftüchern, die wiederum nur einen sehr kleinen Ausschnitt aus dem darunterliegenden stramm gebundenen und Haaransatz und Ohren bedeckenden Untertuch sehen lassen. Das kann sehr nett aussehen und der Schick ist offenbar erlaubt, weil erst auf den zweiten Blick erkennbar ist, dass diese neue Mode die Haare noch fester verbirgt und statt mir Religion eher mit unterdrückerischer Mode arbeitet. 

Es fällt auf, dass gebildete migrantische Frauen mit Kopftuch diese Kopftücher – vornehmlich im Fernsehen – vehement verteidigen, dabei aber praktisch nie ein Wort der Solidarität mit den Frauen äußern, die in Ländern leben, die Frauen sogar mit dem Tod bestrafen, wenn sie das Tuch nicht oder falsch tragen. Die prominenten und mutigen Frauen unter den genannten migrantischen Menschen, die ihre grundgesetzlich garantierten Rechte wahrnehmen, müssen oft vor ihren eigenen Landsleuten polizeilich geschützt werden, wie z.B. Seyran Atesh, die Gründerin der liberalen Moschee. Oder was soll man von Männern halten, die Rettungswagen und Feuerwehren angreifen? Dass auch deutsche Männer an solchen Taten beteiligt sind, ist ein Argument, das bei einer derartigen Situation sofort fällt und allerdings nicht berücksichtigt, dass statistisch gesehen migrantische Frauen noch mehr unter Männergewalt zu leiden haben als einheimische. Diese Taten wurden und werden zum Teil noch immer ungern besprochen und mit dem Wort Ausländerfeindlichkeit ins Nebulöse verwiesen. Grundgesetz und praktizierte Religion enthalten Widersprüche. Die lassen sich nicht klären mit doppelter Staatsbürgerschaft, weil sie die Verwirrung, wem gegenüber man loyal sein soll und wem nicht, noch steigert. 

Dieser Widerspruch zwischen Religion und Grundgesetz gilt im Prinzip auch für die christlichen Religionen, aber inzwischen gehören ca. 50 % der Deutschen keiner Religion mehr an, so dass diese teilweise Unvereinbarkeit von Religion und Grundgesetz nicht mehr so wie früher relevant ist. Klar aber scheint mir, dass die sogenannte Frauenfeindlichkeit mit allen Nebenwirkungen wie Ausländerfeindlichkeit und Antisemitismus die eigentliche Ursache für die zunehmende Gewalt ist und die Kategorie „häusliche Gewalt“ abgeschafft gehört. 

Vor einigen Tagen wurden in England drei kleine ca. sechsjährige Mädchen in einem Tanzkurs von einem Mann aus Ruanda erstochen. Mehr als mit dem Tod dieser Kinder, befasste und befasst sich die Presse mit der Aussage, dass der Mann kein Islamist gewesen sei, kein Muslim, sondern schon in London geboren sei und die falsche Verbreitung seiner Herkunft schon wieder auf Ausländerfeindlichkeit zurückzuführen sei. Die Mädchen spielen kaum eine Rolle in der Presse. Sie spielen aber eine Rolle bei den Protestierenden, Daran knüpft sich wieder die Frage, warum der Protest gegen diese Gewalt wiederum in Gewalt ausartet. 

Derartige Taten, die neue Verbrechensmotive anzeigen, schaffen eine allgemeine Verunsicherung und hier und da auch vorschnelle falsche Vermutungen. Was wirft der Mörder den drei Mädchen vor? Haben sie ihn bedroht? Oder wollte er sie ausrauben? Sich für etwas rächen? Oder passte es ihm einfach nicht, dass sie Mädchen waren und tanzen wollten? 

Das Klima wird schlechter und ist mit „Ausländerfeindlichkeit“ nicht korrekt beschrieben. 

Es macht vergessen, dass die meisten Einheimischen und Migranten ein friedliches Leben führen wollen. Um das zu unterstreichen, wären entsprechende Verlautbarungen aus deren Mitte wünschenswert. Dennoch steigt das Misstrauen und zum Teil auch die Angst, weil man es den Leuten nicht ansieht, ob sie einem gefährlich werden können. Offizielle Verharmlosungen nützen da nichts. Um nicht als ausländerfeindlich zu gelten, wurde bisher häufig unterschlagen, dass der Anteil der von Ausländern begangenen Straftaten statistisch gesehen höher liegt als die von Biodeutschen begangenen Taten. Diese oft unterschlagenen Ungenauigkeiten verstärken das Unbehagen. 

Jetzt in der dritten Einwanderergeneration haben viele Türken einen deutschen Pass, es gibt Ehen zwischen den verschiedenen Nationalitäten und es gibt vor allem in der Türkei eine neue Religionspolitik, die tief auch in die deutsche Gesellschaft eingreift. 

Viele der hier lebenden Frauen aus muslimischen Gesellschaften haben in der Praxis trotz Grundgesetz nicht die gleichen Rechte oder können sie häufig nicht anwenden, weil sie durch die Familienverhältnisse abgehalten werden, diese für sich durchzusetzen. und unter Gewalttätigkeiten, Beschneidungen, Zwangsheiraten leiden. ****). Biodeutsche Frauen, die Männer aus diesen Ländern heiraten, haben oft auch nichts mehr zu sagen. 

Es müsste allen Einwanderern, Facharbeitern oder Asylsuchenden von Anfang an klargemacht werden, dass hier Gleichberechtigung herrscht und durchgesetzt wird und Verstöße zur sofortigen Auslieferung führen. Die Taten werden oft verharmlost und CDU-Politiker, die kleine freche Jungen Paschas nennen, weil sie Frauen respektlos behandeln, werden ausländerfeindlich genannt und beschimpft, anstatt sich mit den Erziehungspraktiken dieser kleinen Jungs zu befassen. In früheren Zeiten war es Frauen praktisch untersagt, alleine das Haus zu verlassen. Heute dürften sie das, haben aber zunehmend Angst. 

6.
Konzepte der Parteien 

Es haben sich einige Dinge zum Besseren gewendet. Patchworkfamilien werden zunehmend anerkannt. Frauen, die ihre Kinder selber aufziehen, werden nicht mehr ausgestoßen. Allerdings sind die meisten dennoch Parias der Gesellschaft, weil sie es sind, die normalerweise nicht die Mittel haben, um ihre Kinder angemessen durchzubringen. Die sogenannte Mütterrente gilt durchaus nicht für alle Mütter. Wenn sie ihre Kinder im Ausland geboren haben (außer Diplomaten), aus welchen Gründen auch immer, gelten die Erziehungszeiten für sie nicht. Ähnliche Schwierigkeiten haben auch Freiberufliche, unter denen die meisten geringverdienende Künstlerinnen sind und verschiedene andere schlecht bezahlte Berufe. 

Alle Parteien ausnahmslos haben ein altmodisches und idealisierendes Familienmodell im Kopf, das hier und da Erleichterungen bringt und im Idealfall auch Realität ist, aber die Wirklichkeit für den Großteil der Bevölkerung nicht zur Kenntnis nimmt. 

Für alle gilt, dass es staatliche Unterstützung an die Familien unter bestimmten Auflagen gibt, das Geld also an die Familien, Vater oder Mutter ausgezahlt wird unter unglaublich vielen bürokratischen Bedingungen, während unsere Vorstellung vorsah, dass die Kinderkosten über staatliche Leistungen direkt an die Institutionen für Kinder gehen und nicht an die Eltern. Dann würde auch der seltsame Begriff der „Carearbeit“ untersucht werden können. Normal ist immer noch, dass sich viele Erwachsene Kinder wünschen und das Zusammenleben mit Kindern nicht mit dem Begriff Carearbeit bezeichnen wollen. Bei der Grundversorgung aller Kinder wäre es Privatangelegenheit der zusammenlebenden Menschen, wer die Fenster putzt, den Müll entsorgt oder das Essen kocht. 

7.
Schluss 

Das geplante Gesetz der Familienministerin garantiert keine wirkliche Verbesserung, sondern verlängert die bürokratischen Eingriffe und vergrößert die Verwaltung. Wir warten noch immer darauf, dass die damals neu angedachte Forderung Für die gesellschaftliche Versorgung der Kinder untersucht wird. Die Zeit wäre reif. 

HELKE SANDER © 2024 

Anm.: *1 H.Sander Die Entstehung der Geschlechterhierarchie als unbeabsichtigte Nebenwirkung sozialer Folgen der Gebärfähigkeit und des Fellverlusts Verlag Z&G 2017

**) Die „Überparteiliche Fraueninitiative Berlin – Stadt der Frauen e.v. ÜPFI Hat 2016 eine Kongressdokumentation herausgebracht: WAS IST LEISTUNG? TEIL II, in der die verschiedenen Vorarbeiten aus vergangenen Jahren genannt sind, um Müttern und Kindern mit neuen Maßnahmen zu helfen. 

***) Wikipedia u.a.: Zahlen zur Sexarbeit – BesD e. V. 

****) Siehe Terre Des Femmes